Das Ende des Zweiten Weltkriegs in Schleswig-Holstein

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Wettlauf zur Ostsee

Sherman-Panzer in Wismar, Mai 1945.(Quelle: Imperial War Museum, London)

Anfang April des Jahres 1945 bereiten sich die Sowjetischen Truppen darauf vor, die Oder im Raum Stettin in breiter Front zu überschreiten. Auf deutscher Seite steht ihnen der Rest der 3. Panzerarmee unter General Hasso von Manteuffel gegenüber. Viele seiner Soldaten sind per Schiff aus den Kesseln von Kurland und Danzig über die Ostsee entkommen und haben den Großteil ihrer schweren Ausrüstung zurücklassen müssen. Unter ihnen befindet sich auch der junge Severin Ahlmann, der mit seiner Panzerabwehrtruppe ebenfalls im Raum Stettin stationiert ist.

Am Morgen des 20. April beginnt der Angriff der 49., 70. und 65. Armee der Sowjets zwischen Schwedt und Stettin über die Oder. Der Übermacht können die deutschen Verteidiger nicht lange standhalten. In der Nacht vom 26. auf den 27. April beginnt der noch halbwegs geordnete Rückzug der 3. Panzerarmee Richtung Westen.

Zur selben Zeit bereiten sich die britischen Truppen unter Field Marshal Bernard Montgomery darauf vor, die Elbe bei Lauenburg und Artlenburg zu überqueren. Montgomery ist für seine präzise Planung selbst bei größter eigener Übermacht bekannt und nimmt sich nach der Eroberung der letzten Stellungen südlich der Elbe seit dem 19. April ganze zehn Tage Zeit, den Übergang vorzubereiten. General Dwight D. Eisenhower, der Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte, sieht sich deshalb genötigt, in nicht weniger als drei Nachrichten Montgomery dazu zu drängen, Eile walten zu lassen, um die Ostsee zu erreichen und den vorrückenden Sowjets den Weg nach Schleswig-Holstein zu versperren.

Am 29. April 1945 überschreiten die britischen und amerikanischen Verbände schließlich die Elbe und stoßen mit Nachdruck in Richtung Lübeck, Wismar und Schwerin vor. Auf ihrem Vormarsch durch Mecklenburg begegnen sie einem Strom von zurückweichenden deutschen Soldaten und Zivilisten auf der Flucht vor den Sowjetischen Truppen. Im Raum Hagenow, rund 30 km südwestlich von Schwerin trifft auch Severin Ahlmann erstmals auf amerikanische Truppen, gibt seine Waffen ab und beginnt, sich zu Fuß in das heimatliche Rendsburg durchzuschlagen. Am 2. Mai 1945 erreichen die ersten kanadischen Einheiten Wismar, wenige Stunden bevor die sowjetischen Panzerspitzen im Osten der Stadt ankommen. Eine Konfrontation zwischen den beiden Verbündeten wird nur vermieden, weil der kanadische Befehlshaber damit droht, das Feuer zu eröffnen, falls die sowjetischen Panzer versuchen sollten, durch Wismar hindurch weiter auf Lübeck vorzustoßen. Am selben Tag erreichen die Briten auch Lübeck und das Rennen um das Tor nach Schleswig-Holstein ist entschieden.

Das Kriegsende in Schleswig-Holstein

Der zerstörte Stadtkern von Kiel. Blick in Richtung Hafen, Sommer 1945.(Quelle: Stadtarchiv Kiel)

Am 1. Mai 1945 übernimmt Großadmiral Dönitz als von Hitler bestimmter Nachfolger die Reichsregierung. Sein Hauptquartier befindet sich in Plön. Nachdem Lübeck besetzt ist, bezieht die Reichsregierung am 3. Mai in Flensburg-Mürwik Quartier. Von dort aus wird mit Field Marshal Montgomery die bedingungslose Teilkapitulation aller deutschen Streitkräfte in Nordwestdeutschland sowie Holland und Dänemark verhandelt, die am 5. Mai in Kraft tritt. Für den Norden ist damit der Krieg beendet.

Zwar ist Schleswig-Holstein von Kriegshandlungen am Boden weitgehend verschont geblieben, dennoch ist die Kriegsbilanz verheerend: Rund 170.000 Einwohner sind ums Leben gekommen. Das sind ca. 12 Prozent der Gesamtbevölkerung. In den großen Städten, insbesondere in Kiel, ist sehr viel Wohnraum zerstört oder unbewohnbar. Dazu kommt eine große Anzahl ehemaliger Zwangsarbeiter und befreiter KZ-Häftlinge, die untergebracht und versorgt werden müssen. Eine Zählung in der britischen Zone kommt auf über 130.000 sogenannte „Displaced Persons“.

Rendsburg, Büdelsdorf und die Carlshütte in den letzten Kriegstagen

Großadmiral Dönitz befiehlt noch am 2. Mai 1945 die Verteidigung von Rendsburg und der Kanallinie. Der Rendsburger Landrat Peters und der Direktor der Schlewag Hans-Georg Schweppenhäuser versuchen daraufhin mit allen Mitteln, die Sprengung der Kanalbrücken zu verhindern und die Rücknahme des Befehls zu erreichen. Zumindest werden die Sprengungen ausgesetzt. Die Briten machen nach Beginn der Waffenstillstandsverhandlungen auf Höhe Neumünster halt. So kommt es erst gar nicht zu einer sinnlosen Verteidigung von Rendsburg und Büdelsdorf. Damit entgeht auch die Ahlmann-Carlshütte der Zerstörung.

Am 7. Mai positioniert sich ein britischer Panzer auf der Drehbrücke, während an der Südzufahrt zur Brücke englische Kampfverbände abwarteten. Am Morgen des 8. Mai erscheint eine Rendsburger Delegation an der Nordseite der Brücke, während sich von Süden her die Engländer in Bewegung setzten. Die Engländer befehlen den Delegationsmitgliedern, dass sich alle Polizeibeamten um 15 Uhr in der Polizeiwache einzufinden haben. Anschließend rücken sie kampflos in die Stadt ein - am selben Tag wird die Gesamtkapitulation Deutschlands unterschrieben.

Die Gründung des Landes Schleswig-Holstein

Politisch ist Schleswig-Holstein formell noch eine preußische Provinz. Die Briten setzen im November 1945 mit Theodor Steltzer einen Christdemokraten an deren Verwaltungsspitze, ernennen ihn später zum ersten, aber noch nicht gewählten Ministerpräsidenten.

Per Verordnung Nr. 46 der britischen Militärregierung vom 23. August 1946 wird in der britischen Besatzungszone, dem Alliierten Kontrollrat vorgreifend, Preußen aufgelöst. Parallel werden selbständige Länder gebildet.

Schleswig-Holstein ist Vorreiter, als hier am 20. April 1947 erstmals in Deutschland ein Landtag gewählt wird. Die Sozialdemokraten bekommen 44 Prozent der Stimmen und regieren anschließend alleine. Hermann Lüdemann ist der erste gewählte Ministerpräsident.

Flüchtlinge und Vertriebene

Flucht aus Ostpreußen, Winter 1944/45. (Quelle: BArch Bild 183-R77440)

Schon Monate vor Kriegsende wird Schleswig-Holstein zum Hauptanlaufziel hunderttausender Flüchtlinge und Vertriebener aus den Evakuierungsgebieten im Baltikum, Ost- und Westpreußen, Pommern und Mecklenburg. Nach Kriegsende steigt die Zahl noch, so dass Schleswig-Holstein bald rund 2,7 Millionen Einwohner hat – gegenüber 1,6 Millionen bei Kriegsbeginn 1939. Keine andere Region Westdeutschlands verzeichnet 1949 einen ähnlich hohen Anteil an Zugezogenen im Verhältnis zur ortsansässigen Bevölkerung.

Auch die Bevölkerung Rendsburgs nimmt bei Kriegsende in einem zuvor und seither nie gekannten Maße zu. Die Stadt hat zunächst etwa 20.000 Einwohner. Für 1946 weist das Statistische Landesamt 35.500 Menschen aus, eine Zahl, die danach bis in die 1960er Jahre in etwa konstant bleibt. Auch im benachbarten Büdelsdorf steigt die Einwohnerzahl von 6.000 im Jahr 1940 auf 9.000 fünf Jahre später.

Die zugezogenen Menschen müssen versorgt werden. Die meisten von ihnen sind mittellos und brauchen Arbeit. Davon gibt es aber in weiten Teilen des Landes zu wenig. Im Rendsburger Raum und insbesondere Büdelsdorf bieten die Ahlmann-Carlshütte KG und ab Ende 1946 die SAB, die spätere ACO, Arbeit, Auskommen und Wohnraum.

Die Unterbringung der Flüchtlinge ist das schwierigste Problem. Die meisten werden in Privatwohnungen einquartiert. Zimmer werden beschlagnahmt, und es gibt kaum noch eine Wohnung, in der nicht mindestens zwei Familien leben. Auch ins Direktorenhaus werden mehrere Flüchtlingsfamilien untergebracht. Erst ca. 1960 zog die letzte Familie aus.

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